CD-Rezension Hamburger Abendblatt

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EINE PUERTO RICANERIN, DIE IN HAMBURG ZUR SÄNGERIN WURDE

Judith Tellado kam der Liebe wegen nach Deutschland. Inzwischen hat sie ihr viertes wunderbares Album zwischen Jazz und Pop veröffentlicht

Hamburg – Judith Tellado ist ein Mensch, der aufgebrochen ist. Mit allen Fragen und Veränderungen, die dazugehören. Aufgewachsen in Puerto Rico, zog sie 2008 der Liebe wegen von San Juan nach Hamburg. Gemeinsam mit ihrem heutigen Ehemann, dem Gitarristen und Pianisten Georg Sheljasov, entdeckte sie im Norden ihre musikalische Seite. Und die berührenden Songs, die Judith Tellado seitdem schreibt, leben von dem Transit, den sie durchlaufen hat. Die studierte Linguistin singt auf Englisch und Spanisch. Und mitunter finden sich auch einige deutsche Einsprengsel in ihren Liedern, die zwischen Latin Jazz, Chanson, Swing, Pop und Soul changieren.

“Spanisch und Englisch sind die Sprachen meiner Kindheit und Jugend, weshalb sie für mich emotional aufgeladen sind. Auf Deutsch kann ich zwar sprechen und schimpfen. Aber bisher ist das Deutsche etwas, was ich benutze, nicht etwas, das ich bin”, erzählt Judith Tellado bei einem Kaffee im Portugiesenviertel. Sehr klug und herzlich spricht sie von den großen und kleinen Unterschieden, die solch ein einschneidender Umzug mit sich bringt. Von dem Schmerz, Familie und Vertrautes zurückzulassen. Und von der Neudefinition in der Fremde.

All diese Erfahrungen fließen in ihre Musik ein, etwa in “Valija Lista” – eine Singer-Songwriter-Ballade, in der Tellados Stimme stark strahlen kann. Zu finden ist die Nummer auf ihrem vierten Album, “Yerba Mala”, was übersetzt einerseits Unkraut bedeutet, andererseits eine Frau bezeichnet, die sich nicht an Konventionen hält. Die 41-jährige trägt an diesem Herbstvormittag ein knallrot gemustertes Kleid, dass sie selbst entworfen und genäht. Eine kraftvolle Malerin ist sie zudem.

Die schöpferische Arbeit sei enorm wichtig, um ihre eigene Identität immer wieder zu überprüfen. “Was haben kulturelle Einflüsse mit meiner Person zu tun? Ist das sofort puerto-ricanisch, wenn ich eine Blume im Haar tragen? Bin ich besonders deutsch, wenn ich gerne Grünkohl esse?”

Judith Tellado reflektiert vielschichtig und richtet den Blick auf alle Schattierungen des Daseins. In der akzentuierten Jazz-Nummer “For The Good Times” bedankt sie sich etwa bei einem für sie prägenden Menschen, von dem sie sich trennen musste, weil das Miteinander nicht mehr funktionierte. Und in “Johnny Tramp”, einem Song über US-Präsident Trump, verhandelt sie den systematischen Rassismus, den ihre in Florida lebende Verwandtschaft erlebt. Für Judith Tellado bedeutet Kunst, Gefühle kanalisieren zu können, die negativen wie die positiven. Deshalb gibt sie nicht nur äußerst kommunikative Konzerte, sondern zudem Unterricht in Gesang und Percussion.

Für sie ist Kultur ein Gesprächsangebot, mit dem sie als Migration zum Teil der deutschen Realität wird, erzählt Judith Tellado. Einzig wenn sie malt, brauche sie Stille. Dann fertigt sie unter anderem ausdrucksstarke Selbstporträts, die mit zahlreichen Details aufgeladen sind. Mal hält sie ein Tier im Arm, mal öffnet sich in ihrem Körper eine Tür. Sie stelle sich selbst lieber ehrlich als ausschließlich schön dar, sagt sie. Alles andere wäre ja auch langweilig. Und das ist Judith Tellados Kunst ganz gewiss nicht.

Konzert: 8.11. 20.00, Wohngeschwister Ottensen (S Altona), Bahrenfelder Str. 138, Karten zu 20,- unter www.judithtellado.de

Autorin: Birgit Reuther